Zweimal drehte sich unsere Welt ein wenig langsamer. Als es aufgrund der Corona-Pandemie an die Eindampfung des öffentlichen und sozialen Lebens ging, stand der Vollkontakt-Hallensport Handball stets als Erstes auf der Streichliste. Zweimal, von März bis Juni 2020 und wieder zwischen November 2020 und Juni 2021, standen die Hobbysportler vor geschlossenen Hallen und setzten Staub an. Doch: Wollten sie nach der zweiten, recht langen Vermoderungsphase auch wieder rein? Schauen wir uns ein paar Zahlen an…
Um zu untersuchen, ob das Virus die befürchtete Schneise in die Landschaft des Breitensports geschlagen hat, bietet sich der Vergleich zwischen den Saisonstarts 2019 und 2021 in den Handballkreisen Krefeld-Grenzland und Wesel an. Im September 2019 schlummerte der Fiesewicht noch friedlich in einer Höhle, im September 2021 haben sich Sport und Gesellschaft durch Impfungen und weitere Schutzmaßnahmen so gut wie möglich der veränderten Situation angepasst.
Und siehe da: Die Basis blieb trotz allerlei Geduldsproben und vorhandener Restrisiken stabil. Im Herrenbereich des Kreises Krefeld nehmen, von der Bezirksliga bis zur untersten Klasse, aktuell 48 Teams am Spielbetrieb teil. Das sind zwei mehr als 2019. Selbst wenn wir das jüngst zugezogene Kontingent des Moerser SC (jetzt: Eagles Niederrhein) abziehen, ist gerade einmal der Verlust einer Mannschaft zu beklagen. Fluktuationen innerhalb einzelner Vereine glichen sich aus. Hier eine Abmeldung, dort eine Neugründung, meist im Bereich der C-Klasse.
Im benachbarten Kreis Wesel sehen die Zahlen auf den ersten Blick etwas anders aus. Netto steht der Verlust von sechs Mannschaften (-15,4%) zu Buche. Zieht man die abgewanderten Ensembles des Moerser SC und die Erstvertretung des TuS Xanten (seit 2020 in der Landesliga beheimatet) ab, reduziert sich die Lücke auf zwei Teams (-5,1%). Hier gingen die Aktiven dem Handballsport ja nicht verloren, sie spielen nur woanders. Die Verluste konzentrieren sich zudem, wie in Krefeld, auf den Bereich der Kreisklasse.
Im Damenbereich tat sich Erstaunliches: Nämlich wenig. Sowohl in Krefeld (27) als auch in Wesel (23) gehen in dieser Saison exakt so viele Teams an den Start wie vor zwei Jahren.
Doch was macht die Jugend? Haben wir in den großen Pausen die angeblich begrenzte Aufmerksamkeit der Zielgruppe endgültig an Tik Tok, Fortnite und die Arte-Mediathek verloren?
In der Jugend (das gilt für die Altersgruppen C bis A) beziehen wir für die Betrachtung die überregional antretenden Teams mit ein, da hier jedes Jahr (Ausnahme: 2020) eine neue Qualifikation für die höheren Ligen gespielt wird. Es zählen also die Mannschaften, die im Kreis beheimatet sind, unabhängig von der Leistungsklasse.
Auch hier überrascht das Ergebnis. In der männlichen Jugend (E bis A) sind zwar stärkere Ausschläge in einzelnen Jahrgängen zu beobachten, doch in der Gesamtsumme der Mannschaften verlor der Kreis Krefeld gerade einmal 1,9% (aktuell: 103), die Nachbarn 5,2% (73).
Im Kreis Wesel sind die Verluste fast ausschließlich auf die E-Jugend zurückzuführen. Im Vergleichszeitraum gingen fünf teilnehmende Teams verloren. In Krefeld wuchs das Teilnehmerfeld in dieser Altersklasse um eine Mannschaft. Die größten Lücken klaffen in Krefeld im Bereich der C- (von 24 auf 21) und der A-Jugend (von 16 auf 12), was allerdings durch eine starke Vergrößerung der B-Jugend-Konkurrenz (von 15 auf 21) beinahe neutralisiert wird.
Im Bereich der weiblichen Jugend (auch hier: E bis A) sind die Zahlen etwas deutlicher. Krefeld verlor, im Vergleich zu 2019, 5% der Teilnehmerinnen (76 statt 80), Wesel 8,9% (41 statt 45). In beiden Kreisen ist jeweils eine bestimmte Altersklasse stark von Verlusten betroffen (Krefeld: B-Jugend, Wesel: C-Jugend), während in die anderen Jahrgänge stabil stehen, aber kaum Zuwächse vorweisen.
Insgesamt lässt sich konstatieren: Es hätte schlimmer kommen können.
Den Eindruck kann auch Ulrike Hüfken-Pannenbecker, Abteilungsleiterin Handball des Moerser SC, bestätigen: „Bei den Senioren haben sich die Mannschaften kaum verändert. In der Jugend hatten wir durch den Rückzug der A-Jugend ein paar Abgänge zu verzeichnen, dafür haben wir in den jüngeren Jahrgängen deutlich zugelegt.“
Sicher, die Größe der Stichprobe ist übersichtlich und die Saison gerade einmal gestartet. Die ersten Wochen deuten immerhin nicht darauf hin, dass es noch reihenweise Teams aufgrund kleiner Kaderstärken dahinraffen wird.
Doch: was weitere Spielbeteiligte wie Scheidrichter:innen, Zeitnehmer:innen usw. angeht, hat diese begrenzte Erhebung keine Aussagekraft.
Auch wird der weitere Saisonverlauf sicherlich kein Selbstläufer, da mit dem Eintritt in die Herbst-Winter-Zeit nun auch vermehrt wieder negative Faktoren wie steigende Inzidenzen, und Impfdurchbrüche in den Fokus rücken. Ebenfalls sind Nachlässigkeiten im Umgang mit Hygiene- und Sicherheitskonzepten, aufgrund einer gewissen Themenmüdigkeit, zu befürchten.
Und dass strukturell – über einen längeren Zeitraum betrachtet – der Handball nicht gerade eine Sportart mit Aufwärtstrend ist, zeigen die bereits beschlossenen oder geplanten Zusammenlegungen ganzer Handballkreise, um die Population in den Ligen aufrecht zu erhalten. Doch das ist ein Thema für einen anderen Tag.
Stand jetzt hat unser Sport, zumindest in hiesigen Gefilden, die schwierigen letzten Monate nicht unbeschädigt, aber einigermaßen solide überstanden. Den Hustenfreunden Holderberg e.V. dürfte es schlimmer ergangen sein. Doch die nächste globale Katastrophe darf gerne auf sich warten lassen. Oder zählt das neue Helene-Fischer-Album schon dazu?
Text: salz
Fotos: Brückner