Kreis Wesel, wir müssen reden. Wie Du vielleicht gemerkt hast, gehen wir jetzt getrennte Wege. Doch es liegt nicht an Dir, es liegt an uns. Es ist nur so: unsere Beziehung war schon seit längerem festgefahren. Jahrein, jahraus die gleiche Routine.
Dann kam dieser charmante Geschäftsmann, hat mit den schicken jungen Drittliga-Dingern der HSG Krefeld angegeben und uns einen Neuanfang versprochen. Wenn wir denn unsere Sachen packen und ausziehen. Da konnten wir nicht widerstehen. Doch uns bleibt die Erinnerung. An gute wie an schlechte Zeiten. Hier sind neun Dinge, die wir am Handballkreis Wesel (nicht) vermissen werden.
Nicht vermisst: Die Wegstrecken
Wenn 40 Minuten Fahrtzeit in der Kreisliga als angenehm kurze Auswärtstour gelten, dann spielt man Handball am Niederrhein. Wenn’s hier auf Tour ging, konnte man häufig gleich Rasierer und Picknickkorb einpacken. Die halbe Saison spielten wir ja auch in einem anderen Regierungsbezirk, denn Rhede, Borken und Co. gehören nun mal schon zum Münsterland. Kurzum: Die falsche Gruppeneinteilung kostete mitunter Tage an Lebenszeit.
Vermisst: Der Nostalgie-Faktor
Wenn man sportlich am Niederrhein aufwächst, groß oder alt wird (oder gleich alles zusammen), dann sind Wege, Hallen und Leute unweigerlich mit Geschichte(n) verknüpft. Hier mal in einen Schneesturm geraten, dort sensationell ein Spiel gedreht und ach ja, genau da vorne an der Außenlinie ging dem Kollegen 1999 die halbe Zahnreihe stiften. Was haben wir gelacht.
Irgendwie vermisst: Im Wald, da sind die Sporthallen
Eigentlich war es ja ganz einfach. Ziel grob anpeilen, noch schnell einen Rübenlaster rechts überholen, das örtliche Schulzentrum am Geruch wittern… Zack, fertig, ab in die Umkleide. Doch es gab auch diese speziellen Fälle wie den Hogenbusch-Bunker, den man früher ohne Navi tagelang im Wald suchen konnte. Oder dieses verflixte Ding in Dingden. Auch nach etlichen Jahren hat hier der Verfasser grundsätzlich die Ausfahrt verpasst und ist mehrfach fast ins Getreidesilo gebrettert. Aber landschaftlich reizvoll ist es dort schon.
Nicht vermisst: Zitterpartien
Das Heizöl-Budget der Stadt Dinslaken ist nicht wirklich bekannt, aber für die Sporthallen kann schon mal nicht viel draufgehen. Zwischen Oktober und März zog es im Douvermann häufig wie auf der Skiflugschanze in Planica. Und nach dem Spiel fror der Arsch an den Armaturen fest, da das warme Wasser meist nur bis 16 Uhr vorhielt. War jetzt kein Einzelfall, woanders fielen die Duschen gleich alle acht Wochen für drei Monate komplett aus. Immerhin: Andere Gemeinden hielten mit der Heizstufe Scheiterhaufen dagegen. Ein willkommener Ausgleich.
Vermisst: Das Catering
Auf eine gemischte Tüte nach Bocholt oder auf eine Bockwurst nach Rees. Rechnet sich im Alltag nicht wirklich, aber wenn man schon mal in Sachen Handball vor Ort ist, dann ist eine kleine Verpflegungsstation wirklich ein netter Bonus. In neun von zehn Hallen gab es zuverlässig mindestens eine halbe Tasse Kaffee (Premium-Röstung, stand nur seit zwei Stunden auf der Herdplatte). Da konnte man sich vor Niederlage und zweistündiger Heimreise wenigstens noch ein paar warme Gedanken machen. Eine nette Geste.
Irgendwie vermisst: Die Schiedsrichter
Schwieriges Thema. Doch durch die lange gemeinsame Zeit wussten beide Seiten, was sie voneinander zu halten hatten. Ab und zu hat man sich auch nachgerade über eine Ansetzung gefreut. Ehrlich.
Leicht verschrobene, mit einer persönlich von Papst Pius XII. ausgestellten Unfehlbarkeitsurkunde ausgestattete Gestalten gab es sicher, doch insgesamt wollen und können wir uns nicht beschweren. Da müssen diese ganzen stromlinienförmigen Jungpfeifen aus Krefeld, mit ihrer Regelkunde und der neumodischen Zeitspiel-Auslegung, erstmal mithalten. Wenn Sie denn den Weg in die Halle finden. Es bleibt ein schwieriges Thema.
Nicht vermisst: Das Konzept Hackstadt
Ihr und wir, das hat einfach nicht gepasst. Egal in welcher Saison und Klasse, es gab immer Geschrei, Gewürge und geradeaus auf die Glocke. Dann folgte noch das Spiel. Wenn man es sogar schafft, ein Freundschaftsspiel zum Abbruch zu führen, dann sollte man sich lieber aus dem Weg gehen. Bussi, einigen wir uns auf Unentschieden. Wir suchen uns dann mal neue beste Freunde im Kreis Krefeld.
Vermisst: Die Ewigen
Respekt wächst nicht über Nacht. Doch wenn man Jahrzehnte durch dieselben Hallen tingelt, dann fallen sie auf. Jene, deren Gesicht zum festen Inventar eines Vereins oder einer Mannschaft gehören. Die fest mit ihrem Platz an der Kasse, auf der Bank, am Zeitnehmertisch oder auf dem Feld verwachsen sind. Bei denen mal alle halbe Jahre denkt: Mensch, warst auch schon mal jünger und/oder schlanker. Und geflissentlich das eigene Spiegelbild ignoriert.
Ein letzter Gruß geht raus an die Totz, Vengels und Co. Wir sehen uns 2030, wenn nach der großen Gebietsreform der komplette HVN nur noch aus einem Handballkreis besteht.
Irgendwie vermisst: Lokalduelle
Es hat schon gewisse Vorzüge, Duelle innerhalb der Grenzen der eigenen Stadt auszutragen. Volle Hallen, halbvolle Zuschauer:innen und leere Gesichter auf der Verliererseite. Die stets leicht erhitzten Spiele in unmittelbarer Nachbarschaft werden fehlen. Anderseits haben wir hier, vor allem gegen die blauen Schlümpfe, in den letzten Jahren weniger Land gesehen als Eisbären seit der Polschmelze.
Nicht vermisst: Die Anwurfzeiten
Wer noch niemals um 9.30 Uhr in Borken gespielt hat, der hat den Handball nie geliebt. Der Fetisch für exotische Anwurfzeiten war gerade in den Randgebieten sehr ausgeprägt. Fürsten der Dunkelheit spielen halt ausschließlich Sonntags vor Sonnenauf- oder nach Sonnenuntergang. Kombiniert mit den Wegstrecken sorgte dies gerne mal für… logistische Probleme im Segment der jungen Erwachsenen, die zu Spielbeginn als Orientierungshilfe in Laufrichtung aufgestellt werden mussten.
Das war es nun also, Kreis Wesel. Du wirst immer einen speziellen Platz in unseren Herzen behalten. Auch das neue Revier wird vergleichbare Vor- und Nachteile mit sich bringen. Lokaler Handball hat halt überall einen ähnlichen Anstrich. Und ist überall schön.
Text: salz