Der gebürtige Moerser war 1964 als Dreispringer bei den Olympischen Spielen in der japanischen Hauptstadt ...
„Sie sind sehr weit gefahren, aber nicht sehr weit gesprungen.“ Diese Begrüßungsworte von Professor Doktor Rochelmeyer 1964 zum Start seines Pharmaziestudiums an der Universität Mainz hat Günter Krivec nie vergessen. Rochelmeyer sprach damals einen etwas wunden Punkt des heute 79-jährigen gebürtigen Moersers an, über den Krivec heute mehr als nur Schmunzeln kann.
Günter Krivec war 1964 bei den ersten Olympischen Sommerspielen in Tokio dabei. Im Dreisprung. Heute (Beitrag erschien am 3.8. in der RP) startet in der japanischen Hauptstadt in dieser Disziplin erneut der olympische Wettbewerb bei den Leichtathleten. Und die eher laxe Bemerkung des renommierten Mainzer Wissenschaftlers bezog sich schlichtweg auf das sportliche Abschneiden des damals 23-jährigen Moersers.
Nach der Verletzung fehlten 2 cm
Günter Krivec war mit der europäischen Jahresbestleistung von 16,29 Metern in die japanische Metropole gereist. Damals wurde noch einfach die Sprunggrube der Weitspringer benutzt. Zwölf Meter vor dem Sandkasten ist das Brett für die Dreispringer, zwei Meter vor dem Kasten das der Weitspringer. Krivec erwischte im Vorkampf mit seinem zweiten Absprung genau diesen Weitsprungbalken, prellte sich dabei die Hacke, landete bei 15,78 Metern im Sand und konnte mit der Verletzung erst einmal nicht weitermachen.
Heute ist das nicht mehr möglich“, weiß Krivec, „Der Weitsprungbalken wird entfernt.“ In diese Lücke käme ein Untergrund, der zur Anlaufstrecke passt. Doch damals verpasste der Moerser die geforderte Qualifikationsweite, die für die zwölf Finalisten 15,80 Meter betrug, um zwei Zentimeter. Krivec landete mit seinem missglückten Sprung am Ende auf dem 14. Platz bei 32 Teilnehmern aus 21 Nationen. Soviel zu dem sportlichen Erlebnis für den Moerser bei Olympia in Tokio.
Doch es gab noch viel mehr berichtenswerte Erinnerungen. „Tokio war damals schon eine wunderbare Stadt, die moderne Architektur mit Traditionellem verbunden hat“, erinnert er sich. „Wir sind damals drei Wochen vor den Spielen im olympischen Dorf angekommen. Im Oktober, weil wir der Hitze aus dem Weg gehen wollten.“
Gastfreundliche Japaner
Nicht alle Entscheidungen waren damals schlecht. Doch das Training zweimal am Tag im Dorf war nicht Günter Krivecs Ding. Zumal die Dreispringer damals noch kein spezielles Trainerteam hatten. Allerdings gab es in der Kleinstadt Hakone, etwa 80 km westlich von Tokio, am Fuße des Fujiyamas, mit 3776 Metern der höchste Berg Japans, für die Athleten eine weitere Möglichkeit der Unterbringung. Und die nutzte Günter Krivec. „Damals gab es in Japan schon Schnellzüge. Da waren wir ruckzuck in Tokio“, sagt er.
Die Entscheidung, sein Lager dort aufzuschlagen, sollte er jedenfalls nicht bereuen. „Ich lernte dort Kikudo Yoshida kennen, die als Hostesse bei den Spielen arbeitete“, erzählt Krivec. „Die Japaner waren unglaublich gastfreundlich. Auch zu den US-amerikanischen Athleten“, bemerkt der Moerser heute noch. Immerhin hatten die USA keine 20 Jahre zuvor im Zweiten Weltkrieg zwei Atombomben über Japan gezündet. Doch die Familie von Kikudo Yoshida lud den jungen Moerser zum Essen ein – mit dem Hinweis, dass auch Takayuki Okazaki kommen würde. „Das war damals so etwas wie ein Nationalheld in Japan“, so Krivec. Takayuki Okazaki war schon 1960 bei den Spielen in Rom mit 15.90 Meter Zehnter im Dreisprung geworden und wurde mit 16.05 Metern Siebter in Tokio. „Es war ein wunderbares japanisches Abendessen mit unglaublich freundlichen, aber ungezwungenen Menschen“, schwärmt Krivec heute noch.
Etwas, was er im olympischen Dorf nicht kennengelernt hatte. Immerhin war der Moerser Teil der letzten gesamtdeutschen Mannschaft – nach dem Bau der Berliner Mauer. „Da waren innerhalb der Mannschaft kaum Begegnungen möglich“, sagte er. Trotzdem lernte er Manfred Hinze kennen, der in Tokio Sechster mit 16,15 Metern wurde, später in den Westen übersiedelte. Die Beiden freundeten sich an.
Dass Professor Doktor Hans Rochelmeyer seinen Studenten Günter Krivec bei dessen Abschlußprüfung mitteilte, er habe ihn in seinen Vorlesungen vermisst, wirkte sich nicht auf die Bewertung aus. „Er hat mich nicht hängen lassen, ich wusste alles.“
Autor: Uwe Zak, Rheinische Post, 3. August 2021